Thank you Mr. Harris – Shut up Mr. Friedrich

Das Buch „Der Brand“ von Jörg Friedrich unterstützt die Deutschen, die nie auf ihre Geschichte als barbarische Tätergemeinschaft reflektierten, sich als Opfergemeinschaft, wieder als Kollektiv, fühlen zu können, was in ihrem Wunsch nach „Normalisierung“ als Nation euphemistisch ausgedrückt ist.


„Als die Bomber über Berlin ihre Bomben abwarfen – wir konnten das von unserer illegalen Bleibe in der Nähe von Berlin beobachten –, schrie meine Mutter in den nächtlichen und surrenden Himmel hinein: ‘Gebt ihnen mehr, gebt ihnen noch mehr’.“ So antwortete ein jüdischer Überlebender auf die Frage eines Fernsehreporters, wie er damals als in der Illegalität lebender Jude die anglo-amerikanischen Angriffe erlebte. Diesen leidenschaftlichen und persönlichen Eindruck der Bombardements auf deutsche Städte können wir als Mitglieder der Nachfolgeneration der deutschen Tätergemeinschaft nur versuchen nachzuempfinden, nicht aber vollständig erfassen. Insofern können und wollen wir auch auf den Dank derjenigen verweisen, die dem völkischen Mordswahn der Deutschen durch die von Ihnen und anderen geführten kriegerischen Handlungen entkommen sind. Wir können Ihnen jedoch nur für die Errungenschaften danken, die wir selber erleben.
Als erstes danken wir Ihnen, Mr. Harris, Ihren politischen und militärischen Verbündeten und allen anderen antifaschisten Kräften, die in der Zeit des nationalsozialistischen Deutschlands mit ihren jeweiligen Mitteln gegen den nationalsozialistischen Terror kämpften, dafür, dass die „Gattung Mensch“ nach der Niederlage der Nazis überhaupt wieder denkbar wurde, und mit ihr die Freiheit und individuelles Glück eines jeden einzelnen. Die „Verschwörung gegen die Zivilisation“, wie Ernst Bloch das nationalsozialistische Ungetüm bezeichnete, war ein Feldzug gegen jene Errungenschaft der Menschheit, die ihr erst jenen Namen verliehen. Die Nazis kämpften mit ihrem Universalbegriff „Rassenkampf“ gegen die verbindenden Ideen vieler bürgerlicher Aufklärer: Universalismus und Vernunft.
Der Rekurs der Nazis auf die unvermeidliche Natur des Menschen – an seinem angestammten Platz für die eigene Rasse zu kämpfen –, war als solche Teleologie Negation der Subjektwerdung des Menschen und der Menschheit. Statt sich von den Notwendigkeiten der Natur kraft menschlichen Verstandes zu befreien, ersponnen die Nazis eine natürliche Ordnung, der Folge zu leisten sei. Jene moderne Naturverfallenheit kulminierte unter Zuhilfenahme neuester technischer Mittel in der Vernichtung von mehreren Millionen Menschen in Auschwitz, anderen Vernichtungslagern und im Krieg. Der Hass auf das „jüdische Prinzip“ war auch ein Hass auf die – aus der bürgerlichen Gesellschaft hervorgegangenen – Ideen von Universalismus und Vernunft, die den als jüdisch gebrandmarkten Eigenschaften Kosmopolitismus und Vergeistigung entsprechen. Dass dem Mord an den Juden, „Zigeunern“ und Kommunisten und somit auch dem Hass auf Universalismus und Vernunft unter anderem durch die Bomberangriffe auf deutsche Städte ein Ende gemacht wurde, ist ein Segen. Noch während der Bomberangriffe und während der unaufhaltsam in Nazideutschland einrückenden antifaschistischen Invasion bewies das Verhalten der Deutschen nachdrücklich die Notwendigkeit militärischer Härte gegen die Zivilbevölkerung, weil diese, anstatt endlich zumindest scheinheilig bei der Niederwerfung des Naziregimes mitzuhelfen, die Affirmation des totalen Krieges bis in dessen letzte Konsequenz – Kampf auf Leben und Tod – verstärkte, indem sie ihre Kinder und Alten in den Kampf schickte und Barrikaden gegen die herannahenden Panzer baute. Die unter Bedrohung des eigenen Lebens erfolgte Hingabe der einzelnen Deutschen an das Kollektiv zeigte die Verfallenheit in die halluzinierte natürliche Ordnung. Nur in einem solchen Kollektiv konnte Auschwitz „geleistet“ werden, konnten die Einzelnen seelenruhig abschalten oder begeistert zustimmen, als Hitler seine häßlichen Reden schwang oder wenn die Juden im Dorf nicht mehr da waren. Die deutsche Mordsgemeinschaft hat in ihrem unerbittlichen Wahn die Menschheit in ein Chaos gestürzt, in dem viele Soldaten der antifaschistischen Armeen in einem langen Kampf ihr Leben ließen, ehe Deutschland kapitulierte. Erst ein Begreifen der Bomberangriffe als einen für die Menschheit „himmlischen Segen“, als Beendigung der Todesangst unzähliger Menschen, macht ein Mitleid für die wenigen durch die Bomberangriffe unschuldig gestorbenen deutschen ZivilistInnen überhaupt möglich und glaubhaft.
Wir danken Ihnen, Mr. Harris also dafür, dass die Möglichkeit auf „allgemeinmenschliche Emanzipation“ und „freie Entfaltung des Einzelnen“ durch Sie und Ihre antifaschistischen Verbündeten zurückerkämpft wurden.
Alltäglich bedeutet die Niederschlagung Nazideutschlands heute unter anderem für uns, nicht Rassenkunde sondern Anglizismen gelernt zu haben, nicht in der Hitlerjugend oder im Bund Deutscher Mädels sondern schon in vielen Hollywoodfilmen gewesen zu sein, nicht für Deutschland zu sterben, sondern Punkrock zu hören und nicht treudoof oder bewusst an der Vernichtung von Menschenleben beteiligt zu sein, sondern gute Bücher zu lesen. Für das und noch viel mehr danken wir Ihnen, lieber Mr. Harris.

But: Attention!

Die Deutschen haben trotz Reeducation oder verordnetem Antifaschismus wenig dazugelernt, weil sie gegen den Krieg der USA am Golf demonstrieren, während vor nicht all zu langer Zeit die Außenpolitik der Deutschen durch Alleingänge und Lügen („Serben-Hitler“) den Krieg in Jugoslawien forcierte, weil die Deutschen angesichts der „Dauerpräsentation der Schande (Auschwitz) wegschauen“ (Martin Walser) wollen, nachdem es in den letzten Jahren in Deutschland zu permanenten Übergriffen auf „Nichtdeutsche“ gekommen ist, weil sie die Benes-Dekrete loswerden wollen, wärend sie sich schwer tun, Zwangsarbeiterentschädigungen zu zahlen, weil sie Tabus gegenüber Israel brechen wollen, während niemand von den Verbrechen der eigenen Vorfahren etwas wissen will, weil die Politiker die Normalisierung Deutschlands einfordern, während der Schriftsteller Grass „nun endlich auch“ die Deutschen in ihrer Opferrolle während des zweiten Weltkrieges beschreibt, weil Walser antisemitische Metaphern formuliert, während an der Grenze zu Polen in den letzten Jahren hunderte nach Deutschland wollende Flüchtlinge in den Fluten von Oder und Neiße ersaufen mußten, weil die Deutschen Angst vor der „Asylantenflut“ haben. Und letztendlich sollten die antifaschistischen Kräfte ihre Aufmerksamkeit auch wegen eines deutschen Historikers – nämlich wegen Ihnen, Mr. Friedrich – erhöhen, dessen Buch „Der Brand“ von den Deutschen begierig verschlungen wird, weil ihnen in jenem Buch ihre Lebenslüge, auch sie bzw. ihre Vorfahren wären nicht nur Täter, sondern durch „den großen Brand“ (so die deutschelnde schwulstige Metapher für den Bombenangriff bei J. Friedrich) auch „Ausgerottete“ gewesen, wissenschaftlich aufbereitet geglaubt wird.
Angesichts solcher Zeilen und begierigem deutschen Publikum können wir den antifaschistischen Mächten nur anraten, den Morgenthau-Plan für den Fall der Fälle schon mal bereitzulegen.

Deutschland? – Nie wieder.

With best regards,
Ihre Antideutsch-Kommunistische Gruppe Leipzig

März 2003
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