Über das deutsche Bescheidwissen
Vom kleinen Unterschied zwischen Felicia Langer und ihrem friedensverliebten
deutschen Publikum
Am Freitag, d. 13.09.02, platzte es aus dem alternativen
deutschen Regierungsblatt die tageszeitung (taz) unverrichteter Dinge
heraus: (...) Der UN-Sicherheitsrat ist selbstverständlich kein
Gremium, dessen Mitglieder weise waltend nur den Frieden der Welt im Sinn
haben. Man sollte ihn als das sehen, was er ist: eine Versammlung großer
Militärmächte, die ihre Interessen ausbalancieren.
Ups, kann man da nur äußern, da ist dem Blatt doch tatsächlich
die nüchterne Wahrheit über den Weltzustand in die Tastatur
geschlüpft. Und was noch viel unvorteilhafter ist: unfreiwillig hat man so
der Deutschen und der Palästinenser liebstes Kind, der UNO, die
menschenrechtelnde Maske vom Gesicht gerissen und die Wahrheit über jenes
Gremium ausgeplaudert, das für die deutschen Friedensfreunde aller Coleur
den vernünftigen Weltgeist par excellence verkörpert, und in die man
noch das perfideste und abgeschmackteste Ressentiment gegen die bösen
Unilateralisten und Präventivkrieger Israel und
die USA moralisch, ethisch und rein zu hüllen vermag.
Doch keine Angst, liebe Friedensfreunde in nah und fern, man kann sich bei den
Deutschen sicher sein, daß diese simple Wahrheit über die
mulitlateralistische Welt der UNOs und internationalen
Strafgerichsthöfe dieses Planeten nicht mal im Ansatz zur Kenntnis
genommen wird. Denn UNO und Strafgerichtshof sind den Deutschen die
institutionalisierte Chiffre dafür, den USA und Israel auf internationalem
Parkett die Hölle der friedliebenden Völkergemeinschaft
heiß zu machen.
Der deutsche Appell an das unsägliche Völkerrecht setzt
Völker voraus, denen man diese Rechtsprechung zuteil werden lassen kann.
Also muß man zur Not immer neue erfinden, damit das ganze System der
Menschenrechte auch funktioniert, und man sich so für deren
Selbstbestimmungsrecht einsetzen kann, wie es sich Wladimir
Iljitsch Lenin und Josif Stalin in ihren kühnsten Träumen immer
gewünscht haben.
Es verwundert nicht, daß sich die Deutschen zu Gralshütern jenes
Völkerrechtes aufschwingen. Sind sie es doch, die über
die längste moderne Tradition bei der Entdeckung und dem Aufspüren
immer neuer Völker und Volkstümer verfügen können. Denn
seit dem vorigen Jahrhundert sind die Deutschen auf völkische Kunde
spezialisiert. In jedem Tal, hinter jedem Wald, auf jeder Lichtung und hinter
jeder Bergkette entdecken sie ein Volk, das sich selbstbestimmen
müsse. So gesehen kann man die deutsche Gesellschaft und ihren
antiwestlichen Völkerkundewahn gegen die französischen
Menschenrechtsideale des bürgerlichen Individuums (Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit) als eine große Gesellschaft
für das bedroht Völkische dieser Erde auf den Begriff bringen.
Man redet in Deutschland inzwischen ganz offen davon, daß Leute wie Uri
Avnery oder Felicia Langer das andere Israel repräsentieren
würden. (vgl. Leipziger Volkszeitung vom 11.09.02) Damit ist
für die Deutschen klar, was damit nur gemeint sein kann: das andere
Deutschland repräsentiert für sie das, was zwischen 33
und 45 die Ausnahme von der Regel des deutschen Vernichtungskollektivs
darstellte. Die ganz wenigen, die mit unterschiedlichsten Motiven gegen den
Nationalsozialismus Widerstand leisteten, gelten heute als Beleg dafür,
daß die Deutschen nicht alle schuldig seien. Wenn die Deutschen heute
Leute wie Avnery und Langer als Repräsentanten eines anderen
Israels begreifen, dann ist klar, welchen historischen
Analogieschluß das nur bedeuten kann: Wenn nur so wenige gegen den
Staatsterrorismus in Israel aufbegehren, dann können die
dortigen Zustände nur große Ähnlichkeit mit denen in
Nazi-Deutschland aufweisen.
Dabei sollten doch gerade die Juden in Israel aus Auschwitz etwas
gelernt haben nämlich niemanden Unrecht anzutun. Doch scheinbar
sind die Juden lernunwillig und Auschwitz als kollektive
Umerziehungsmaßnahme für Juden hätte demzufolge ihren
eigentlichen Zweck verfehlt. Demzufolge lautet der Subtext jeder deutschen
Diskussion wie folgt: Vor allem Israel sollte doch aus der
Geschichte des Leidens gelernt haben, so meint man in Deutschland. Und
ausgerechnet Israel macht heute ähnliches mit den
Palästinensern wie damals die Nazis mit den Juden, so
weiß man. Wer das allerdings perfiden sekundären Antisemitismus nach
Auschwitz nennt, der, so ist man sich sicher, wolle ja nur die nötige
Kritik an der israelischen Regierungspolitik unterbinden, die gerade wir
als Deutsche an Israel leisten müßten, weil wir ja
mal Spezialisten dafür waren, wie man anderen Leid und Unrecht
zufügt. Und so tun wir alles nur wegen Auschwitz.
So auch die selbstlose Kritik an Israel nur deshalb, um eine mögliche
Vernichtung des palästinensischen Volkes durch die Juden zu verhindern.
Denn die Israelis müssen doch davon überzeugt werden, daß der
Holocaust kein Freibrief für Terror und Vernichtung sein könne.
Eine wie Felicia Langer kommt den Deutschen sehr gelegen. Sie soll ausplaudern,
was die Deutschen über Israel und die Juden denken. Daß sie sich von
den Deutschen intstrumentalisieren läßt, ist das eine. Daß sie
aber von den Deutschen instrumentalisiert wird, das andere. Warum Frau Langer
in Deutschland so populär ist, hat einen einfachen Grund, den voller
Freude selbst das Palästina-Soli-Blatt für gelangweilte
antiimperialistische Bildungsbürger, die Süddeutsche Zeitung,
weiß: Felicia Langer verzichtet (...) bewußt darauf, dem
Anspruch nach Vollständigkeit und Ausgewogenheit zu entsprechen.
Soll heißen: Sie hat sich als jüdische Israelin voll und ganz der
palästinensischen Sache verschrieben.
Und genau da gibt es einen gewaltigen Unterschied zwischen Ihnen, werte Damen
und Herren, die sie so begeistert von Frau Langer sind und eine Veranstaltung
mit ihr besuchen, und der Motivation der Frau Langer für ihr eigenes Tun:
Denn sie setzt sich nach eigenem Bekunden als Israelin um ihres eigenen
Volkes willen für die Rechte des palästinensischen Volkes ein.
Sicherlich sollte man zur Kenntnis nehmen, was der Wiener Journalist Karl
Pfeifer über Frau Langer zu berichten weiß. Daß sie
nämlich in Bezug auf Israel außer sich selbst niemanden
vertritt ( was, um Mißverständnissen vorzubeugen,
grundsätzlich erstmal nicht das Allerschlechteste ist ) und
daß ihre Behauptung, in Israel nicht ihre politischen Anschauungen
vertreten zu können (...), natürlich nicht wahr ist. Pfeifer
weiß auch, daß Frau Langer vor der Wende ihre Bücher in
den Ländern des realen Sozialismus veröffentlicht
hat, von dem sie behauptet die antizionistische PDS wirds
sicherlich sehr freuen , daß es in ihm keine
Menschenrechtsverletzungen und keinen Antisemitismus gegeben habe. (vgl.
www.judentum.net/europa/langer)
Zwischen Frau Langer auf der einen Seite und ihrem deutschen Publikum auf der
anderen gibt es also einen gewaltigen Unterschied, der sich durch das Pronomen
wir ausdrückt: Wenn Frau Langer vom Wir spricht, dann meint
sie damit wir Israelis, wenn es ihr deutsches Publikum tut, dann
meint dies wir Deutschen. Das klingt zwar banal, ist aber, was die
hiesige Rezeption von Frau Langers Israel-Kritik betrifft, nichts geringeres
als der Unterschied ums Ganze. Denn ihrer deutschen Zuhörerschaft geht es
nicht etwa um die Wahrheit, sondern um das, was man als Deutscher schon immer
über Israel wußte: Daß nämlich dieser Staat als
Fremdkörper im Nahen Osten nichts anderes ist als ein
permanenter rassistischer, zum Völkermord
neigender Störenfried, der aus dem Holocaust im Gegensatz zu
uns Deutschen nichts gelernt hätte.
Man könnte als Deutscher wissen, daß die einzige Konsequenz der
deutschen Tat der systematischen Vernichtung des europäischen Judentums
nur die Gründung eines jüdischen Staates sein konnte, dessen
konstitutives Moment darin besteht, daß man sich geschworen hat, sich als
Juden nie wieder dem ohnmächtigen Gefühl auszuliefern, sich wie
Lämmer auf die Schlachtbank geführt zu sehen und jedem Juden im
Angesicht eines virulenten antisemitischen Wahns weltweit jederzeit
Zufluchtstätte zu sein. Man könnte als Deutscher außerdem
wissen, daß der Zweck der zionistischen Idee von je her nicht in der
Vertreibung von arabischer Bevölkerung besteht, sondern in der Antwort auf
die assimilatorische Unfähigkeit der europäischen bürgerlichen
Gesellschaften und ihren Aufklärungsideen. Und man könnte als
Deutscher zudem wissen, daß die Antwort auf die 48er Staatsgründung
Israels der Angriffskrieg der arabischen Welt auf Israel war und daß der
Hass auf Israel seitdem, spätestens aber seit dem vereitelten Feldzug der
arabischen Welt gegen Israel 1967, irrationalen antisemitischen Hass der
arabischen Gemeinschaft hervorgebracht hat. Man könnte also
schlußendlich wissen, daß die erste und wichtigste
Existenzbedingung für den Staat Israel einzig und allein seine
militärische Stärke gegenüber seinen arabischen Feinden
darstellt, von denen Israel nicht nur umzingelt ist, sondern permanent bedroht
wird.
Man braucht nicht darüber spekulieren, ob eine Frau Langer dies anders
sieht. Sie sieht es nicht anders genauso wie es ein Uri Avnery nicht
tut. Doch daß Sie, werte deutsche Damen und Herren, dies nicht sehen
wollen, ist genau jener Unterschied ums Ganze, von dem weiter oben die Rede
ist.
Wir können Frau Langer nur bitten, sich genau anzuschauen, wer diejenigen
sind, die ihr in Deutschland Beifall spenden, und die sie selbst als
Verbündete im Kampf um Menschlichkeit bezeichnet. Denn es
handelt sich in aller Regel um Leute, die, wenn sie vom palästinensischen
Volk sprechen, zuallererst an deren Blut-und-Boden-Mythos Gefallen finden, weil
man sich Völker in Deutschland nur als völkisches Kollektiv der
natürlichen Verwurzelung, Reinheit und Schollenmentalität
vorzustellen vermag und deshalb Israel traditionell auch für ein
künstliches Gebilde hält.
Sicherlich wird uns Frau Langer nicht Recht geben. Aber trotzdem sei aktuell
eines angemerkt: Es wird Sie höchstwahrscheinlich verwundern, daß
einer wie Arafat dieser Tage plötzlich von den Palästinensern in den
Mittelpunkt der innergesellschaftlichen Kritik gerät und er wahrscheinlich
bald abdanken wird. Und das ist, ob Sie es nun wahr haben wollen oder nicht,
der erste große Erfolg der Politik Scharons, daß die
Palästinenser anfangen, Selbstkritik zu üben und nicht alles auf die
Juden projizieren. Bilden Sie sich ja nicht ein, daß die
Palästinenser von selbst auf die Idee kamen, den Terroristen und
Friedensnobelpreisträger Arafat für seine unsägliche Herrschaft
zu kritisieren: Es war der unnachgiebige Druck der israelischen Regierung, die
immer wieder gefordert hat, daß die Palästinenser mit Arafat ins
Gericht gehen sollen. Denn dieser Mann hat nicht nur den Terror der Al
Aksa-Intifada geduldet, er und seine Sicherheitsbehörden sind tief darin
verstrickt. Ein Witz daher, den Israelis vorzuwerfen, sie hätten ja den
Sicherheitsapparat der palästinensischen Autonomiebehörde (PA)
zerschlagen, der, wenn er nur gekonnt hätte, schon gegen die al
Aksa-Brigaden, Islamic Dhihad oder Hamas vorgegangen wäre.
Werte Damen und Herren, man kann sich leider sicher sein, daß Sie es
nicht weiter interessiert, daß die Europäische Union mit ihren
Geldern an die korrupte PA den Terror der Palästinenser mitfinanziert hat
(vgl. Dossier Arafat bombt, EU zahlt in: Die Zeit v.
06.06.02, Ausgabe Nr. 24) und Sie es sicherlich begrüßen, wenn Frau
Langer nicht nur eine stärkere EU-Initiative in der Region fordert,
sondern auch nichts gegen deutsche Truppen in Israel hat. (Frage
Deutschlandfunk an Langer: Deutsche Truppen in Israel: Ist das für
sie vorstellbar? Antwort Langer: Ich glaube, alles ist
vorstellbar nachzulesen unter:
www.radio.de/cgi-bi/es/neu-interview) Wie Sie bemerken werden, redet Frau
Langer nicht über den Antisemitismus der Palästinenser, weil er
für sie nicht zu existieren scheint, sie also die palästinensische
Judenfeindschaft für durchweg rational und schlüssig hält.
Werte Damen und Herren, es wird Sie vermutlich nicht weiter interessieren,
welche ungeheuerliche Bedrohung der Islamismus für Israel darstellt, und
es wird Sie wohl auch nicht weiter interessieren, was für Zustände in
den arabischen Staaten herrschen. Denn Sie plädieren ja für einen
Dialog der Kulturen und für Fremdenfreundlichkeit. Sicherlich
werden Sie es auch für Blödsinn halten, wenn man den Islamismus als
barbarischen Wiedergänger der Nazi-Bewegung begreift. Denn es wird Sie
nicht weiter interessieren, daß der Antisemitismus mittlerweile ebenso
konstitutiv für den arabischen Gemeinschaftsgedanken ist wie er es
für die NS-Bewegung war. Und so wird es Sie auch nicht weiter anheben, was
die palästinensische Gemeinschaft zusammenhält und was das
vermittelnde Element des arabischen Blut-und-Boden-Mythos darstellt. Denn Sie
sprechen die Weltsprache des Antiimperialismus, mit der man sich vom Islamisten
über den Neonazi bis zum kritischsten Globalisierungskritiker und
ausgebufftesten Linken darauf verständigen kann, daß die USA und
Israel notorische Störenfriede der Völkergemeinschaft
sind. Es wird Sie auch nicht weiter interessieren, was die Scharia und Fatwa
für das Leiden der Menschen unter islamistischer Herrschaft bedeuten, denn
schließlich sind dies ja Erscheinungen eines völlig anderen
Kulturkreises, den man mit dem unsrigen nicht so ohne weiteres
eurozentristisch bzw. rassistisch vergleichen
könne und gegenüber dem man in erster Linie tolerant zu sein
hätte. Und zu guter Letzt werden Sie es sicherlich nicht verstehen
können, wenn wir Ihnen vorwerfen, daß Sie, wenn Sie gegen die
militärische Intervention gegen den Irak sind, Israel nichts weiter als
die Pest an den Hals wünschen.
Daß Sie Ihre eigene geschichtsentlastende deutsche Friedenssehnsucht mehr
interessiert als die bedrohte Existenz Israels, ist eben, um es nochmals zu
sagen, der Unterschied zwischen der Israelin Felicia Langer und Ihnen als
strammdeutsches Publikum. Deshalb möchten wir der deutschen
Zuhörerschaft von Frau Langer eine zwar banal klingende, für die
Juden aber um so bittere geschichtliche Wahrheit abschließend nicht
vorenthalten. Sie lautet: no germans no holocaust!
Gegen Deutschland!
Kampf dem islamischen Faschismus!
Solidarität mit Israel!
Leipzig, d. 16. September 2002
Antideutsch-Kommunistische Gruppe Leipzig
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