Arbeit Zwang deutscher Wahn
Grundsätzlich begrüßen wir die
Initiative des Bündnis gegen Rechts Leipzig (BgR), mit der
Demonstration unter dem Motto Gegen Arbeitswahn und Kapitalismus
keinen Finger krumm für diese Gesellschaft dem besonderen deutschen
Wahn des Arbeitsfetischismus von Links über die Mitte bis
Rechtsaußen ein pauschales Fickt Euch! entgegenzusetzen.
Erst jüngst belebte die widerwärtige freiwillige Kollektivierung
der Deutschen anläßlich des Hochwassers den Volksgemeinschaftsgeist
der nationalsozialistischen Kraft durch Freude- Bewegung und des
Reichsarbeitsdienstes. Wie in alten Zeiten atmete man
vom dümmsten Nazi bis zum bauernschlausten Linken begeistert den
kollektiven Geist des deutschen Volkskörpers. Nur allzu deutlich wurde,
wie wenig sich in Deutschland seit 33 geändert hat. Und es zeigte
sich, wie sehr vom deutschen Volk die Sehnsucht nach harmonischer
Schicksalsgemeinschaft gegen Volksschädlinge aller Art so verinnerlicht
wurde, daß die Angst vor dem deutschen Kollektiv nach wie vor seine
vollste Berechtigung hat: In der Krise zeigen die Deutschen endgültig
offen ihre häßliche Fratze, die immer noch dieselbe ist, wie
zwischen 33 und 45. Denn in der Krise wird das Individuum mit
deutschen Füßen getreten und der kollektive Volkskörper
formiert sich immer noch hart wie Krupp-Stahl, zäh wie Leder, flink wie
ein Windhund und effektiv wie Sandsäcke zum Stopp des Hochwassers. Die
kollektive Erfahrung der heraufziehenden Flut-Katastrophe wurde von den
Deutschen regelrecht zelebriert: die Schicksalskatastrophe wurde zum
Genuß, nach dem sich die Deutschen von jeher sehnen zur
opferbereiten Todessehnsucht.
Die Marxsche Kritik der Politischen Ökonomie muß zwingend die
Grundlage jeglicher Gesellschaftskritik sein. Nur so läßt sich eine
spezielle Kritik an den deutschen Zuständen üben. Jedoch ist beides
nur als dialektische Einheit zu haben, also als Einheit in der Verschiedenheit:
das Allgemeine ist nichts ohne das Besondere und andersherum verhält es
sich ebenso. Somit ist unsere Kritik des spezifisch deutschen Arbeitswahns vor
dem Hintergrund der Marxschen Kritik zu verstehen.
Die deutschen Staatsbürger-Subjekte, dem objektiven Zwang zur Arbeit sich
affirmativ hingebend, empfinden ihren Arbeitszwang nicht als einen Solchen,
sondern erheben ihn zum deutschen Lustprinzip. Ob es ihnen darum geht, Arbeiten
als ein Mittel zum Zweck zu verstehen, als die Bedingung, um ein gutes
Leben führen zu können, oder als reinen Selbstzweck, Arbeit
selbst als ein Bedürfnis und zudem noch als identitätsstiftend zu
empfinden, daran scheiden sich die deutschen Geister nicht. Ist es doch schon
in Fleisch und Blut übergegangen, daß der Staat die
Voraussetzungen für eine Vollbeschäftigung herzustellen
hat, da ein ganz persönliches Glück ohne Arbeit nicht mehr denkbar
ist. Und so gilt ein Staat, welcher nicht Arbeit für alle bieten kann
dem Volke nicht dienlich ist gar als volksschädlich.
Es ist dieser spezifisch deutsche Appell an einen ideellen Gesamtkapitalisten,
der deutlicher nicht zum Vorschein bringen könnte, wie stark die
Kollektiv-Subjekte die Zwangshandlung der Arbeit verinnerlicht haben. Da kann
es nicht mehr verwundern, daß eine Übervorteilung des jeweils
anderen tunlichst zu unterlassen ist, schließlich sollen alle
gleichberechtigt und mit Kampfeswillen ausgestattet dem Volkswohlstand zu
Diensten sein. Anstatt den Kampfeswillen für einen möglichst hohen
eigenen Lohn einzusetzen, wird für das Kollektiv ein möglichst
gerechter Lohn eingefordert.
An die Spitze dieses opferbereiten Mobs stellen sich in Deutschland allzu gern
die Gewerkschaften; nicht nur daß sie bereits an den
Entscheidungsfindungen im Unternehmen beteiligt wären, geben sie sich
stets, der Gemeinschaft freundlich gesinnt, der anstrengenden Vermittlung
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hin. Die Zugehörigkeit zum
nationalen Kollektiv erlangt materielle Gewalt in der Angst vor dem Ausschluss.
In vorauseilendem Gehorsam wird die Bereitschaft zum Mitmachen bekundet, bevor
überhaupt auch nur irgendein Befehl ergangen wäre. Die individuelle
Nutzlosigkeit, sich in die Reservearmee der Arbeitslosen eingereiht zu haben
den Versuch die bürgerliche Identität zu verteidigen,
längst hinter sich gelassen ist es, was zum handfesten
Antisemitismus, zur Tat gegen die als Übermächtig Halluzinierten
stets die sich als deutsch begreifenden drängt.
Die Opferbereitschaft formiert den kollektiven Opfermythos und der Opfermythos
erzeugt die Opferbereitschaft beides bedingt einander und tritt stets
aufs neue aus dem anderen hervor. Von diesem Kreislauf zehrt die deutsche
Gemeinschaft. Der halluzinierte Opferstatus setzt die Projektion voraus: ein
äußerer Feind, sei es als wirklich äußerer oder als
Fremdkörper, wird zwingend benötigt. Genau hier zeigt sich die
Virulenz des antisemitischen Tickets. Der Wahn erzeugt sich die Verräter,
die er benötigt, um sich zu erhalten. Die Aufopferung für das
deutsche Kollektiv rückversichert (vergegenständlicht) sich in der
Zuschreibung des eigenen Tuns als ehrliche Arbeit. Damit wird
anderes individuelles Tun, das sich dem nicht ein- und unterordnet, zu einem
asozialen unehrlichen. Die Rede vom US-amerikanischen
Raubtierkapitalismus, der dem deutschen als einem vermeintlich
gebändigten Rheinischen Kapitalismus völlig wesensfremd
sei, verleiht diesem deutschen Kollektivwahn Ausdruck.
Man muß verstehen, daß der deutsche Arbeitswahn ein deutsches
Spezifikum ist, das in seiner Feindschaft gegen die individuelle Bereicherung
durch und an Arbeit die ideologische Grundlage des Nationalozialismus
darstellt, mit der man in Deutschland nach 1945 nicht etwa gebrochen, sondern
dessen Grundlage noch verfeinert hat. Die Rolle des deutschen Staates als
Krisenbewältigungsinstitution bedingt den Gehorsam seiner Bürger,
ihre bedingungslose Ein- und Unterordnung in bzw. unter die Gemeinschaft.
Insofern ist der verinnerlichte Arbeitszwang des deutschen Staatsbürgers
die Quelle jeglichen Ressentiments gegen diejenigen, die sich dem widersetzen.
Ob nun PDS, NPD, CDU, FDP, Grüne, SPD oder sonstwer in einem sind
sich alle einig: wer der Gemeinschaft schaden will, soll den Volkszorn zu
spüren bekommen. Daß die Form des Zorns und der Ablehnung von Partei
zu Partei, von Bevölkerungsgruppe zu Bevölkerungsgruppe durchaus
variieren kann, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich ihr
Ressentiment und Hass gegen Arbeitsscheue, die sich der kapitalistischen
Verwertungslogik zu entziehen versuchen, bis aufs Haar gleicht.
Daß sich in Deutschland alle darüber einig sind, daß es das
Schlimmste für einen Deutschen sei, wenn er keine Arbeit hätte, ist
ein Wahn, der im Nationalsozialismus in der systematischen Vernichtung der
europäischen Juden gipfelte. Denn den Juden schrieb man die
natürliche Eigenschaft der Raffgier, der Unehrlichkeit und
Arbeitsscheue zu.
Man darf niemals vergessen, daß der deutsche Arbeitswahn sich nur
negativ ausprägen kann. Negativ heißt, er konstituiert sich
nur über diejenigen, die für arbeitsscheu und arbeitsunwillig
gehalten werden. Damit wohnt diesem Wahn objektiv immer die Möglichkeit
des Vernichtungswillens inne, um sich der eigenen gemeinschaftlichen
Rechtschaffenheit versichern zu können.
Der deutsche Arbeitswahn ist Ausdruck davon, daß die Deutschen nur
Falsches aus Auschwitz gelernt haben. Denn der verinnerlichte Zwang zur Arbeit
steht immer an der Grenze zum Ausfall der Zweck-Mittel-Rationalität der
Verwertungslogik des Kapitals. Das heißt, die deutsche Gesellschaft und
der für sie konstitutive Arbeitswahn bewegen sich permanent in der
Grauzone zwischen eigenem Arbeitszwang und Zwangsarbeit für
Volksschädlinge jeder Art. Es ist eine dünne
zivilisatorische Schicht kapitalistischer Normalität, die den
Arbeitswahn in Deutschland im Zaume hält.
Wenn man den deutschen Arbeitswahn und mit ihm den Hass auf Genuß, Luxus
und Glück ohne Arbeit zerschlagen will, dann bedeutet das den
Angriff auf die deutsche Volksgemeinschaft, die die Grundlage für
Auschwitz ist. Kritik am Arbeitswahn muß demzufolge unbedingt von der
Spezifik deutscher Vergesellschaftung ausgehen und sich nicht nur in einer
allgemeinen Metakritik des kapitalistischen Arbeitsfetischs verlieren. Insofern
gilt es, sich weder vom Allgemeinen noch vom Besonderen dumm machen zu lassen,
sondern beides zusammen zu denken.
Arbeitswahn denken, heißt Auschwitz denken!
In diesem Sinne:
Gegen Deutschland!
Für den Kommunismus!
Leipzig, den 22. September 2002
Antideutsch-Kommunistische Gruppe Leipzig
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